l’heol et l’ankou
Jörg Steinbachs Bildserie l’heol et l’ankou entstand 2001. Die großformatigen Schwarzweissfotos konfrontieren auf den ersten Blick mit starrenden Dämonenköpfen, verlassenen Palästen, dystopischen Architekturen … Auf den zweiten Blick erkennt man die senkrechte Spiegelachse in der Mitte der Bilder und mit ihr die Rinden, Landschaften und Bunkerareale, die den Konstruktionen Steinbachs als Motive zugrunde liegen. Die amorphen Strukturen, die alle diese Motive durchziehen und denen das ursprüngliche Interesse Steinbachs galt, werden hier gewissermaßen von selbst bildfähig. Durch die bloße Spiegelung ordnen sie sich zu Kompositionen, die in ihrer Frontalität bezwingende Kraft besitzen. Durchgängig finden sich die thematischen Momente Fluss und Erstarrung durch Kontraste und Tonabstufungen instrumentiert. Schon dadurch öffnet sich auf Steinbachs Bildern das gewählte Motiv auf den Bereich photographischer Chemie. Dieser verliert dadurch den Charakter eines bloßen Mittels. Motiv und Verfahren bilden bei Steinbach durchweg konkrete Analogien aus. Vor allem deshalb – neben Differenzen in der Wirkung – hat Steinbach bei der Spiegelung auf die Hilfe des Rechners verzichtet und dadurch den technischen Aufwand immens gesteigert. Allein die Erstellung der Fuge zwischen den beiden Bildhälften hat technische Neuerungen bei der Entwicklung verlangt, bei denen es um hundertstel Millimeter ging. Aufgrund der unterschiedlichen Reflexe differieren die Belichtungszeiten beider Bildhälften; dies gilt nochmals bei der Kontrastfilterung. Und so weiter …[1] Im Ergebnis zeigt sich Fremdes. Es liegt gleichermaßen im Gefundenen – den bretonischen und andalusischen Bäumen, den brandenburgischen Militäranlagen und Landschaften – und im Gestalteten – in handwerlicher Artikulation und Kontrolle. Das Fremde liegt schon vor und es überformt die beiden Gesten seines Erscheinens. „Natur / ist eine Form der Verneinung.“[2] Entsprechend kann die Bildachse auf den Bildern dieser Serie als natürliche Naht wahrgenommen werden, als Empfängnis- und Geburtsnaht oder als Narbe (im doppelten Sinn). Aus ihr heraus fließen uns die Bildstrukturen entgegen; sie selbst zieht sich ins Unsichtbare zurück. Diese Doppelstruktur, in der das Fremde als Grund unserer Realität gedacht wird, ist Gegenstand des Mythos. Der Titel der Serie l’heol et l’ankou geht auf eine alte bretonische Sage zurück: „Die Sonne und der Tod“.
[1] Näheres zu den technischen Aspekten der Großformtaufnahmen findet sich bei Tiziana Zugaro-Merimi, Tribut an die Dämonen. Portfolio Jörg Steinbach in: Schwarzweiss 36. Das Magazin für Fotografie, März 2003, S. 18-23. [2] Günter Eich, Bericht aus einem Kurort.